TOP 1: Newsletter-Serie zu unserer Leitlinienarbeit

 

AWMF- S3-Leitlinie „Borderline-Persönlichkeitsstörungen“

 

Liebe Mitglieder,

heute berichtet unser DÄVT- Mitglied Herr Dr. med. Michael Armbrust über die S3 Leitlinie Borderline-Persönlichkeitsstörungen. Er ist Chefarzt der Schön Klinik Bad Bramstedt, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, physikali­sche Therapie, DBT-Therapeut. Ergänzend noch folgende Daten zu seinem beruflichen Lebenslauf: 1988-1994 Ausbildung zum FA für Psychiatrie in der Diana-Klinik Bad Bevensen und dem HSK Bargfeld-Stegen; 1991 – 1995 institutsgebundene VT-Weiterbildung im 1. Jahrgang des IWVT in HH; 1997 – 1999 DBT-Kurse an der AWP FB - Zertifizierung als DBT-Therapeut 2004 durch den mitgegründeten DBT-Dach­verband; 1994 – 2006 Oberarzt in der Schön Klinik Bad Barmstedt; seit 2006 dort Chefarzt. Seine Schwerpunkte sind Persön­lich­keitsstörungen, ADHS, Impulskontrollstörungen, Soziale Phobie und Zwangsstörungen.

Hier zitieren wir seinen Kurzbericht zur Erstellung der AWMF S3 Leitlinie „Borderline-Persönlichkeitsstörungen“:

„Im Oktober 2017 am Rande des DGPPN-Kongresses fand die konstituierende Sitzung der Leitlinien­grup­pe statt. Die Teilnehmer waren Mandatsträgerinnen und -träger aus 23 Fachge­sellschaften, Ver­bänden, Interessenvertretungen und als Mandatsträgerin des Borderline-Trialogs eine Patientenver­treterin. Als federführende Fachgesellschaft fungierte die DGPPN, die Projektleitung lag bei Prof. Klaus Lieb, unter­stützt durch Jutta Stoffers-Winterling. Die Moderation aller Konferenzen und die metho­dische Beratung und Begleitung erfolgte durch die AWMF – Dr. Monika Nothacker und Dr. Susanne Blödt. Viel Zeit wurde anfangs auf die genaue Erarbeitung der Regelungen zum Ausgleich der Interessenkonflikte der unter­schied­lichen Mandatsträger gelegt, was sich dann auszahlte. Als Orientierung gebende Quellleitlinie wurde die australische NHMRC von 2013 genutzt, ergänzt durch britische Leitlinien (NICE 2009, 2018).

Welche Änderungen sind aus Sicht der Verhaltenstherapie interessant ?

(Originaltext der LL kursiv)

  • Anlass zur Abklärung einer BPS ist gegeben bei wiederholtem suizidalen oder selbstschä­di­gen­den Verhalten, erheblicher emotionaler Instabilität, gleichzeitigem Vorliegen mehre­rer psychi­scher Störungsbilder, kein befriedigendes Ansprechen auf vorausgegangene Thera­pie­versuche oder ein sehr beeinträchtigtes psychosoziales Funktionsniveau.

Das erscheint fast selbstverständlich, aber nach meiner Erfahrung ist das im Alltag doch noch nicht überall im Bewusstsein, insbesondere der vorletzte Punkt.

  • Die Diagnose einer BPS soll nach fachgerechter diagnostischer Abklärung gestellt werden können ab einem Alter von 12 Jahren.

Hierzu gibt es ausreichende Evidenz und insbeson­dere die entsprechenden Fachverbände unterstützten dies klar.

  • Bei Diagnosestellung einer BPS soll sie den Betroffenen mitgeteilt und erläutert werden, wobei betont werden soll, dass es wirksame Behandlungsmöglichkeiten gibt.
  • Auch Angehörige sollen über die Diagnose informiert und aufgeklärt werden, sofern die Betroffenen zustimmen.

Dies wäre dann v.a. Aufgabe der ambulanten Versorgung. Sehr hilfreich kann hier die Teilnahme an einem Borderline-Trialog  (www.borderlinetrialog.de) sein.

  • Zur Behandlung sollen strukturierte, störungsspezifische Psychotherapiemethoden einge­setzt werden. Die Behandler sollen in der jeweiligen Methode ausgebildet sein und Super­vi­si­on erhalten. Empfohlen werden hier alle evidenzbasierten, störungsspe­zifisch ausge­rich­te­ten Therapieprogramme, die auf KVT oder TFP aufbauen und zusätzlich den prototypi­schen Besonderheiten der BPS maßgebliche Bedeutung in der Konzeptualisierung zumessen.
  • Falls der primäre Behandlungsfokus auf der Reduktion schwerwiegenden selbstver­letzenden und/oder suizidalen Verhaltens liegt, werden DBT oder MBT empfohlen.
  • Auch Betroffene im Alter von 14 - 18 Jahren mit BPS oder deutlicher BPS-Symptoma­tik sollen eine strukturierte, BPS-spezifische altersadaptierte Psychotherapie angebo­ten bekommen.

DBT-A gibt es ja schon und sollte mehr angeboten werden

  • (Teil-)stationäre Behandlungen sind nur für kurzzeitige Kriseninterventionen vorgese­hen oder im Rahmen von länger dauernden, zeitlich definierten störungsspezifischen elektiven Behandlungsprogrammen.

Langdauernde psychiatrische Krankenhausaufenthalte ohne spezifische Psychotherapie werden nun hoffentlich weniger werden

  • Gruppenangebote sollen unbedingt durchgeführt werden, wenn sie Bestandteil des Thera­pie­pro­gramm sind.
  • Psychoedukation soll in jedem Fall integraler Bestandteil der Psychotherapie sein.

Das ist für VTler ja selbstverständlich.

  • Eine medikamentöse Behandlung der BPS wird nicht empfohlen. Der Einsatz von Medika­men­ten kann zeitlich begrenzt bei umschriebenen Zielsymptomen, v.a. in Krisen, erfolgen. Comorbide psychische Störungen, z.B. eine Depression, sollen behandelt werden. Polypharmazie ist zu vermeiden.

Aus meiner Sicht hat die VT, die ja inzwischen fast überall mit DBT-orientier­ten Elementen ge­lehrt und immer häufiger auch praktiziert wird, einen sehr wesentlichen Teil zur verbes­ser­ten Ver­sorgung dieser Patientengruppe beigetragen und wird auch in der Zukunft hier einen starken Stellenwert haben.

Die psychiatrische Akutversorgung könnte hier noch stärker verhal­tens­­therapeuti­sche (Früh-)In­ter­ven­tio­nen beinhalten, wie erste Psychoedukation zum Stö­rungs­modell oder Skills­training. Die Quantität der ambulanten Versorgung mit störungsspe­zi­fischer KVT, DBT oder Schematherapie sollte ausgebaut werden.

Aus meiner Sicht des Krankenhausarztes seit über 30 Jahren mit diesen Patienten ist die Situation heute so, dass es inzwischen eine beträcht­li­che Anzahl stabilisierter, recht symp­tom­freier Patienten gibt. Einige kommen damit dann schon im normalen Alltag gut zurecht. Bei vielen anderen könnten die psychosozia­len Belange nun stärker gewichtet werden und entsprechen­­de Therapien störungsspe­zi­fisch entwickelt werden. In den jetzigen Leitlinien spielten diese Aspekte noch keine wesentli­che Rolle. Zumindest im DBT-Dachverband wird es aber diskutiert.“

https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/038-015

Herzlicher Dank an Herrn Armbrust!

Im Namen des gesamten Vorstands grüßt Sie herzlich

 

Dr. med. Beate Deckert

Präsidentin

 

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